Ausflug der Fidelen auf den Sacer Locus

(Ungekürzte Textfassung nachzulesen in der Festschrift 2018.)
An einem herrlichen Herbsttag im Oktober letzten Jahres trafen wir uns mit 30 Fidelen Holzwürmern am alten Haupteingang Aachener Straße, der die Inschrift trägt: Funeribus Agrippinensium Sacer Locus (zu deutsch: Für die Leichen Kölns geheiligte Stätte). Hier begann unsere kurzweilige, geschichtsträchtige Führung über den Friedhof Melaten, geleitet von Dr. Wolfgang Stoecker.

Anfang der 19. Jahrhunderts, während der französischen Besatzungszeit, wurden die unzähligen Kirchhöfe innerhalb der Ringe verboten: Es entstand u.a. der »Neue Kirchhof zu Coelln Friedhof Melaten«, angelegt von Wallraf und eingeweiht von Dompfarrer Michael Joseph DuMont in 1810.

An der Grabstätte der Familie Boisserée fällt das große schwarze Eisenkreuz mit goldenem Schmetterling auf – das Symbol der Seele, die aufwärts in den Himmel steigt. Auf dem Grabdeckel, der zur tiefsten Gruft des Friedhofs führt, ruht ein Palmenzweig, auch dies ein Symbol für die Ewigkeit. (Michael Boisserée steht hier an der Familiengruft, neben ihm Dr. Stoecker.)

Heinrich von Wittgenstein war der erste Präsident des Festkomitee Kölner Karneval von 1823 (damals »festordnendes Komitee«). Er führte außerdem eine Maskensteuer zur Unterstützung der Armen ein und war Präsident des neu gegründeten Zentralen Dombauvereins. Ein kleiner Abstecher führte uns zum Grab des »ersten« Protestanten (heutzutage ist der Friedhof ja konfessionsfrei) und weiter gings zur Wirtschaftsgeschichte des 19. Jahrhunderts mit den imposanten Grabstätten von Merkens (Unternehmer, Bankier und Politiker), Neven (Tabakfabrikant), Michels (Textilkaufmann), Du Mont (Druckerei) und vielen Weiteren.

Inzwischen können alte, verlorene Grabstätten durch Patenschaften übernommen werden – dieses »Kölner Modell« wird mittlerweile auch von anderes Städten übernommen. Interessant ist auch die Veränderung der Baustile und Lebensanschauungen im Laufe der Zeit: Ein leidender Jesus wird durch einen auferstehenden Christus ersetzt – ein Engel, der sanft den Weg in den Himmel zeigt, steht im krassen Gegensatz zum Sensemann, der auf die abgelaufene Sanduhr hinweist.

Eine weitere nette Geschichte war das Grab des Theaterschuhmachers Theo Pauls. Hier wurde die Primaballerina Anna Pawlowa als sterbender Schwan mit Ballettschuhen in weißen Marmor gemeißelt. (Rechts zwei wunderschöne Bronze-Engel.)

Willy Millowitsch hat ein strenges, puristisches Gabmal im Vergleich zum wesentlich jüngeren Dirk Bach, dessen mit Bärchen, Engeln, Plastikblumen und einer rosa Bank ausgestattete Grabstelle offensichtlich eine Pilgerstätte für Verehrer ist.

Interessant auch ein mächtiger Steinquader vom zeitgenössischen Bildhauer Ulrich Rückriem auf dem Grab des Ehepaars Stoffels – Gründer und Stifter des Kölner Skulpturenparks (links unten). Hier verläuft auch die besonders mächtige Allee aus amerikanischen Thujabäumen, um 1870 gepflanzt. Bei dem großen Karnevalisten Karl Küpper werden hingegen drei schlichte Stelen mit einer karnevalistischen Bodenplatte kombiniert.

Es hat großen Spaß gemacht, dem sehr lebendigen Vortrag von Dr. Stoecker zu lauschen. Später trafen die Fidelen im Haus Scholzen ein – die durstigen Kehlen wurden mit Kölsch und Wein versorgt, danach folgten schmackhafte Speisen wie Ehrenfelder Senfrostbraten oder Hirschrücken mit Steinpilzen. Um 24:30 Uhr wurden wir dann vom Wirt nach Hause geläutet ...